Warum die Fluktuationsquote nicht so aussagekräftig ist, wie es scheint
Kaum ein Meeting – sei es in der Führungsetage oder der Personalabteilung – kommt ohne die scheinbare Erkenntnis aus, die Fluktuationsquote der Mitarbeiter verbessern zu müssen. Unternehmen bemängeln immer wieder, dass eine Quote von 20 % zu hoch und neue Angestellte nur schwer zu finden seien.
In diesem Beitrag möchte ich das Thema etwas differenzierter angehen und erläutern, warum eine Fluktuationsquote nicht reduziert, sondern zunächst einmal analysiert und besser verteilt werden sollte.
Stellen Sie sich vor, Sie leiten ein Unternehmen mit 1.713 Mitarbeitern und 256 Abgängen im vergangenen Jahr. Im einfachsten Fall entspricht dies einer Fluktuationsquote von 15 %. Ein gut aufgebautes Reporting zeigt Ihnen dann folgendes Bild:
Abb 1. Ein Reporting berechnet die durchschnittliche Fluktuationsquote anhand der Anzahl von Mitarbeitern und Kündigungen.
Eine Fluktuationsquote von 15 % erscheint vielen Verantwortlichen zu hoch. Einige wollen dann etwas dagegen tun: Große Events, Mitarbeiterbelustigungen in Form von erdrückenden Weihnachtsfeiern und Gehaltserhöhungen für die komplette Mannschaft sind angesagt. Die Leute sollen schließlich gerne im Unternehmen bleiben – oft macht sich dann Ernüchterung breit, wenn die Fluktuationsquote trotzdem nicht auf 10 % sinkt.
Mitarbeiter differenzieren
Wenn Kündigungen trotz aller Anstrengungen zahlreich bleiben, ist das für viele Verantwortliche frustrierend. Allerdings lohnt sich ein genauerer Blick auf die Mitarbeiter, die gekündigt haben, denn diese lassen sich mit den verschiedensten Kriterien analysieren.
Junge Mitarbeiter lösen sich in der Regel schneller von einem Unternehmen, als alte, weshalb es zum Beispiel sinnvoll sein kann, sich das Alter der gekündigten Angestellten anzuschauen. Auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist bei Kündigungen sehr spannend: Typischerweise verlassen viele Mitarbeiter ihren Betrieb nach 6 Monaten, 2 Jahren oder 5 Jahren.
Ein weiterer entscheidender Aspekt in der Betrachtung der Fluktuationsquote sollten die Mitarbeiterbeurteilungen sein. Der anerkannte Ökonom Prof. Dr. Jörg Knoblauch hat dafür ein Modell aufgestellt, in dem Mitarbeiter auf einer Skala von 1-10 bewertet werden:
- A-Mitarbeiter (8-10) ziehen den Karren.
- B-Mitarbeiter (4-7) laufen neben dem Karren her und machen ihren Job.
- C-Mitarbeiter (1-3) sitzen auf dem Karren und lassen sich von den anderen ziehen.
Abb 2. Mitarbeiter lassen sich durch ihre Leistung in 3 Kategorien einteilen.
In einem Unternehmen könnte die Verteilung von Mitarbeitern folgendermaßen aussehen:
Abb. 3 Unternehmen verfügen über Mitarbeiter mit unterschiedlichen Leistungen.
In den meisten Fällen besteht die Masse einer Belegschaft aus B-Mitarbeitern. Wenn Sie in Ihrem Unternehmen nur A-Mitarbeiter finden, sollten Sie Ihre Bewertungsstruktur überdenken. Nur ein vergleichsweise überschaubarer Teil der Mitarbeiter lässt sich in die Kategorien A oder C einordnen.
Fluktuationsquote von verschiedenen Mitarbeiter-Gruppen feststellen
Damit Ihre Fluktuationsquote wirklich aussagekräftig wird, sollten Sie diese im Zusammenhang mit den Mitarbeiter-Gruppen betrachten. Im folgenden Bild wird eine durchschnittliche Fluktuationsquote von 15 % auf die Mitarbeiterverteilung in unserem Beispiel (A-, B-, oder C-Mitarbeiter) übertragen.#
Abb. 4 Die Fluktuationsquote von 15 % wird auf alle Mitarbeiter-Gruppen angewandt.
Diese Verteilung spiegelt die Vorstellung vieler Personalverantwortlicher wider. Erwiesen ist jedoch, dass der Anteil der Fluktuation bei C- und A-Mitarbeitern weit höher als bei B-Mitarbeitern ist.
Eine realistische Verteilung der Fluktuationsquote sähe also folgendermaßen aus:
Abb. 5 Die Anzahl der Kündigungen verteilt sich auf verschiedene Mitarbeiter-Gruppen unterschiedlich.
Im direkten Vergleich fällt der Unterschied in den beiden Darstellungen kaum auf. Ein genaueres Bild ergibt sich, wenn man die prozentuale Verteilung der Fluktuationsquoten gegenüberstellt:
Abb. 6 Die prozentuale Fluktuationsquote der unterschiedlichen Mitarbeitergruppen unterscheidet sich deutlich.
Hier zeigt sich eindeutig, dass die Fluktuation im Bereich der A- und C-Mitarbeiter massiv unterschätzt wird, wenn man einfach nur die Fluktuationsquote auf sie überträgt. Die der C-Mitarbeiter würde dabei hingegen um 50 % überbewertet.
Durchschnitte sind also erstmal wenig aussagekräftig, wenn es um Kennzahlen wie die Fluktuationsquote geht. Um entsprechend wirksame Maßnahmen einleiten zu können, müssen Verantwortliche zuerst einmal wissen, wie sich Kündigungen auf ihre Mitarbeiter verteilen. Diese Information hilft dann dabei, bestimmte Gruppen gezielter ansprechen zu können.
Schaffen Sie es, die Fluktuationsquote von A-Mitarbeitern drastisch zu verbessern und die von C-Mitarbeitern gleichzeitig zu erhöhen, wirkt sich das entsprechend positiv auf die Mitarbeiterstruktur aus – auch wenn die durchschnittliche Fluktuationsquote weiterhin 15 % beträgt:
Abb. 7 Eine hohe Fluktuation von C-Mitarbeitern bei einer gleichzeitig niedrigen Fluktuation von A-Mitarbeitern sorgt für eine verbesserte Mitarbeiter-Struktur.
Die obige Analyse zeigt, dass es sehr einfach ist eine Kennzahl wie die Mitarbeiterfluktuation zu analysieren und daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten – und nicht nach dem Motto „weniger Fluktuation ist besser“ zu handeln.
Stellen Sie sich vor, sie könnten noch weitere Faktoren analysieren, die bereits frühzeitig eine Mitarbeiterfluktuation andeuten.
Damit Verantwortliche geeignete Maßnahmen treffen können, um leistungsstarke Mitarbeiter zu halten, können sie weitere Faktoren analysieren, die bereits frühzeitig eine Mitarbeiterfluktuation andeuten. Hierunter fallen insbesondere:
- Betriebszugehörigkeit
- Entfernung zwischen Betrieb und Wohnort
- Reisezeit bei Geschäftsreisen
- Mitarbeiterbewertungen im Team
- Mitarbeiterbewertung des Vorgesetzten
- Gehalt im Vergleich zum Branchendurchschnitt
- Weiterbildungen
- Alter
- Zielerreichung
- Teilnahme an Firmenevents
- Ausbildung
- Berufserfahrung
- frühere Arbeitgeberwechsel
- Tägliche Arbeitszeit
Fazit
Es ist nicht schwer, eine Kennzahl wie die Fluktuationsquote zu analysieren und daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten. Keinesfalls sollte man nach dem Motto „weniger Fluktuation ist besser“ handeln – entscheidender ist vielmehr, die Kündigungsquote von leistungsstarken Mitarbeitern zu verringern. Für weitere Fragen über die Fluktuationsquote oder Kennzahl-Analysen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie mich einfach!